Kirchenführer

Während im Reformationsjahrhundert die lutherische Lehre bei den Mönchen in Cismar schon Ende der zwanziger Jahre eifrige Anhänger gefunden hatte, wurde sie in Grömitz erst 1560 offiziell eingeführt. Das kann man dem in der Nicolaikirche angebrachten Verzeichnis der Pfarrer entnehmen. Der erste lutherische Pfarrer von Grömitz, Johann Heinrich Augustini, war in Nienhagen geboren, wurde im Kloster Cismar zum Theologen ausgebildet und hat ab 1560 über ein halbes Jahrhundert an der Nicolaikirche gewirkt. Wahrscheinlich hat ihn nicht nur die schöne Nicolaikirche, sondern auch der ehemals sehr große Pfarrhof zum Bleiben in Grömitz ermuntert; denn das Einkommen der Pfarrer hing früher wesentlich von der Größe des Pfarrhofes ab.
Die gesamte Inneneinrichtung wurde im 17. und 18. Jahrhundert erneuert. Das lässt vermuten, dass die Nicolaikirche von den Einwirkungen des Dreißigjährigen Krieges nicht verschont blieb. Größere Renovierungen wurden in den Jahren 1724, 1861/62 und 1964/65 vorgenommen. Wenn alle Plätze und die Emporen besetzt sind, finden rund 500 Besucher in der Kirche Platz.

 Die Nicolaikirche in Grömitz ist dem Märtyrerbischof Nicolaus von Myra gewidmet, der als Freund der Kinder und Bedrängten seit dem 11. Jahrhundert auch als Schutzpatron der Fischer große Verehrung genoss. Sie wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vermutlich um 1230 errichtet. Es ist nicht auszuschließen, dass der in der „Veste tho de Grobenitze“ auf dem Blocksberg residierende Schlossherr den Bau veranlasst hat, um die im Kirchspiel lebenden Wenden von ihrer Verehrung der alten Naturgottheiten abzubringen und zum Gehorsam gegen die neue germanische Obrigkeit zu erziehen. Erstmalig erwähnt wurde die Kirche im Jahre 1259 in einem Verzeichnis der Kirchen des Bistums Lübeck. In einem weiteren „Verzeichnis der Einkünfte der bischöflichen Tafel zu Lübeck“ von 128?, die letzte Ziffer ist leider nicht mehr lesbar, gehören zur Pfarrkirche Grömitz acht Dörfer, darunter Grömitz, Körnick, Lenste, Suxdorf und Radwartdes-hagen, das spätere Nienhagen. 1323 wurde das Dorf Grömitz von seinem Besitzer, dem Ritter Marquard von Westensee, an das Kloster Cismar verkauft. Damit erhielt der Abt des Benediktinerklosters auch das Patronat und die Aufsicht über die Nicolaikirche.

Das einschiffige rechteckige Langhaus und der kastenförmige Chor mit ihren aus sauberen Schichten aus glatten oder gespaltenen Findlingen aufgesetzten Mauern stammen noch aus der Gründungszeit der Kirche. Der gedrungene Turm und die Sakristei an der Südseite wurden später aus Backsteinen angesetzt. Möglicherweise wurde der Turm angebaut, als Grömitz im 15. Jahrhundert städtische Verfassung hatte, um dem neu gewonnenen Rang sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Zu der Zeit muss der Turm ein stattlicheres Aussehen gehabt haben als heute. Eine Nachricht aus dem Kircheninventar 1846 besagt, dass er bis ins 17. Jahrhundert eine hohe Turmspitze gehabt haben soll. Die Jahreszahl 1665, die in Gestalt eines Zahlenankers am Turm verewigt ist, weist darauf hin, dass er in dieser Zeit seine heutige Form erhalten hat. Die Turmspitze war bei einem schweren Sturm, vermutlich im Jahre 1663, herabgefallen. Da die Grömitzer Einwohner durch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges verarmt und außerdem noch von einer schweren Viehseuche betroffen waren, steuerte der Fürstbischof in Eutin einen Teil zu den Baukosten bei.

Der Altar

Der Altar ist ein in unserer Landschaft seltenes Werk in österreichischem Barock, das 1734 von dem öster-reichischen Maler und Ingenieur Melchior Tatz geschaffen wurde. Tatz war seit 1717 in Hamburg tätig und hat die katholische Josephskirche in Altona errichtet. Das dort verwendete Fassadenmotiv mit schrägstehenden Pilastern hat er in Grömitz wieder aufgenommen.


Im Mittelpunkt des Altars steht die Darstellung des gekreuzigten Jesus. „Es ist vollbracht“, scheint der fast schwerelos am Kreuz Hängende zu sagen. Unterhalb des Erlösers befindet sich eine stark an Leonardo da Vinci erinnernde Abendmahlsszene.

 

Den Altargiebel schmückt ein Medaillon mit der Auffahrt Jesu aus dem Grab. Diese sich von Gründonnerstag über Karfreitag bis zum Ostermorgen erstreckende Darstellung der reformatorischen Kreuzestheologie wird von vier aus Holz geschnitzten Figuren flankiert, die die Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung und Demut verkörpern.


Den gemauerten Altartisch schmücken Vorhänge und Decken, die Grömitzer Frauen gestiftet bzw. selbst gefertigt haben. Er wird von sieben Messingleuchtern erhellt, von denen zwei noch aus dem Jahr 1594 stammen (letztere stehen jedoch unter Verschluss).

Taufbecken und Taufkrone

1703 hat der Amtsschreiber Nicolaus Grimmenstein einen mit Schnitzwerk ausgestatteten hölzernen Taufstein mit einem großen Messingbecken gestiftet, der allerdings bei der großen Kirchenrenovierung 1965 durch eine von Stellmacher-meister Klaus Will gefertigte originalgetreue Kopie ersetzt wurde. Die spätbarocke dreistöckige Taufkrone, um 1700 gefertigt, gehört zu den wertvollsten in ganz Norddeutschland.

 

Den oberen Abschluss des mit Schnitzereien und Stifterwappen reich verzierten Kunstwerks bildet die Darstellung der Taufe Jesu. Ein Stockwerk tiefer ist der Kampf des Erzengels Michael mit dem Drachen abgebildet. Auf der untersten Ebene erkennt man eine Gruppe von Engeln, die die Kreuzigungswerkzeuge in der Hand halten.

 

Aus dem Innenraum der Taufkrone ragt die Siegesfahne heraus, die von dem aufer-standenen Christus in der Hand gehalten wird.

 

Die christliche Taufe als das antidämonische Handeln Gottes zu verkündigen, ist das geistliche Thema der Taufkrone.

Die Orgel

Die älteste Nachricht über eine Orgel stammt aus dem Jahre 1615. Im Mai dieses Jahres war in Neustadt für 33 Mark eine alte Orgel gekauft worden. Sie tat in Grömitz über 100 Jahre ihren Dienst, bis sie 1742 durch eine neue Orgel, eine Barockorgel des Lübecker Orgelbauers Bünting, ersetzt wurde.

 

Die ursprüngliche Bemalung des Orgelprospektes mit grauweißer Marmorierung wurde 1965 wieder freigelegt. 1993/94 wurde der gesamte technische Teil von der dänischen Orgelbaufirma Bruno Christensen vollständig erneuert und durch die Schaffung eines dritten Manuals mit insgesamt 27 Registern ausgestattet.

Der Altar wird eingerahmt von zwei siebenarmigen Eichenholz-Kandelabern, die der Grömitzer Bürger Werner Labitzky zur 750-Jahr-Feier im Jahre 1980 für die Nicolaikirche geschnitzt hat.
In dieser Reihe sollte auch das dreimastige Votivschiff genannt werden, das der Grömitzer Wasserschutz-polizist a.D. Wilhelm Thiede in seinem Ruhestand angefertigt und der Kirche gewidmet hat.Die Rokoko-Kanzel mit ihrem wuchtigen barocken Schalldeckel ist von dem Hofbildhauer August Friedrich Moser aus Eutin geschaffen und 1760 (oder 1766) der Nicolaikirche gestiftet worden.

Der große barocke Messingleuchter wurde im 18. Jahrhundert in einer Lübecker Messingschmiede gegossen. Über seinen beiden Lichterkränzen erkennt man den römischen Gott Jupiter, der auf einem Adler gen Himmel reitet. Der mit Delphinen und muschelförmigen Tellern verzierte „Fischerleuchter“ sowie der Lilien, Getreidehalme und Landleute zeigende „Bauernleuchter“ wurden 1988 vom Gürtlermeister Bläse aus Plön nach altern Vorbildern der Lübecker Messingschmiede gefertigt und von dem nach Kanada ausgewanderten Grömitzer Bürger Rolf C. Hagen der Kirche geschenkt. Der Willkomm-Pokal neben der Kanzel hat der „Todtengilde oder festverbundenen Bruderschaft zu Grömitz“ gehört. Als alle Gilden dem NS-Reichsbund für Leibesübungen angeschlossen werden sollten, hat sie sich aufgelöst und ihren Pokal der Kirche gestiftet.
In § 2 der Satzung von 1833 heißt es: „Nachdem die Gilde versammelt, die Lade eröffnet, ein kräftiges Gebet gesprochen und ein feierlich Lied gesungen, wird zu den Geldgeschäften geschritten“ (s.Gemeindearchiv Grömitz).

Die Empore: Die heute noch bestehende Westempore ist vermutlich in den Jahren 1723/24 errichtet worden; die Kirchenrechnung weist größere Ausgaben für Bausachen aus, unter anderem für den Tischler H. Lambert und seinen Gesellen.

Die Ausmalung: Das Kreuzrippengewölbe im Chor ist mit erneuerten gotischen Linien geschmückt, das kunstvolle Rankenwerk im gotischen Chorbogen stammt aus dm 16. Jahrhundert. Zwei eingearbeitete Weihekreuze zeugen noch heute von der katholischen Vergangenheit der St. Nicolaikirche. An der Schiffsostwand befindet sich oben ein erneuerter Renaissance-Rankenstreifen.

Ein eindrucksvolles Buntglasfenster befindet sich über der Eingangstür: Unter der vom schleswig-holsteinischen und Grömitzer Wappen umgebenen Hansekogge liest man die plattdeutsche Bitte „Herr Godd, bliew du uns Stüermann“. Die Nachricht auszustreuen, dass Gott am Ruder bleiben muss, wenn unser Lebensschiff nicht untergehen soll, dazu ist die Nicolaikirche einmal gebaut worden, und dazu wird sie bis heute gebraucht.

 

Die Fenster im Kirchenschiff wurden erst im 19. Jahrhundert auf die heutige Größe erweitert. Die Buntglasfenster an der Südwand wurden der Kirche nach dem Ersten Weltkrieg gestiftet. Das Strahlenkreuzfenster ist dem Gedächtnis der Gefallenen des Ersten Weltkrieges gewidmet, im „Reformationsfenster“ sind Christus mit der Friedenspalme und Luther beim Thesenanschlag abgebildet, im „Michaelsfenster“ bindet der Erzengel Michael die Mächte der Finsternis mit seiner Lanze an die Erde. Hinter der Kanzel wird ein 1916 der Kirche zugeeignetes kleines Buntglasfenster mit Johannes dem Täufer sichtbar. Die Buntglasfenster der Nordwand wurden 2002 von der Familie Hagen gestiftet.

Zwei lebensgroße Bilder zieren die Südwand der Kirche: Das Bild des Schwedenkönigs Gustav Adolf, der im Dreißigjährigen Krieg auf der Seite der Lutheraner kämpfte und fiel, wurde 1760 der Nicolaikirche geschenkt, während das Lutherbild aus dem Jahre 1911 stammt. In der Nische der Südwand stand einst ein zweiter Altar, der 1440 von der Elendegilde zusammen mit einer Vikarie gestiftet wurde, um für kranke und verstorbene Pilger auf dem Wege zum Kloster Cismar und für verunglückte Seeleute Messen lesen zu lassen. In dieser Nische hängen heute vier in rustikaler Manier gemalte Holzbilder, die bei einer Kirchenrenovierung wieder entdeckt wurden (Reste des 2.Altars?). Die beiden größeren Bilder stellen die Jona-Geschichte und die Enthauptung Johannes des Täufers nach dem Tanz der Salome dar. Sie werden von den Fragmenten einer Kreuzigungsgruppe und eines Anbetenden flankiert.

 

Die im Jugendstil verfertigten sieben Holzreliefs an der Nordwand stammen aus der Hobbywerkstatt des Kapitäns Haye aus Cismar und verraten ein großes handwerkliches Geschick. Sie stellen das Leben Jesu dar. Es beginnt mit dem Kind in der Krippe, dem zwölfjährigen Jesu im Tempel und der Taufe Johannes. Danach folgen die Auferweckung des Jünglings zu Nain, das letzte Abendmahl, die Grablegung und die Himmelfahrt Jesu. Im hinteren Teil der Kirche befinden sich zwei weitere große halbovale Holzreliefs, die den Einzug Jesu nach Jerusalem und die Flucht der ersten Christen nach der Zerstörung der heiligen Stadt im Jahre 70 darstellen. Sie stammen ebenso aus der Werkstatt Hayes wie das reichlich verzierte Lesepult mit dem Christus- und dem Lutherbildnis und die neben dem Eingang stehende Holztaufe. Diese ruht auf drei Engeln, die die christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung symbo-lisieren.

 

Die vier Glocken: Die bronzene Stundenglocke stammt aus dem Jahre 1666. In ihrer Inschrift werden Hans Rantzau als Amtmann, Joachim Stresovius als Pastor und Claus Koepke als Amtsschreiber genannt. Die zweite Bronzeglocke trägt die Aufschrift: „O Land, höre des Herrn Wort!“ Sie hängt zwischen zwei Stahlglocken, die nach dem Ersten Weltkrieg angeschafft worden sind.

Das Uhrwerk: Wenn der Besucher die Nicolaikirche betritt, wird sein Blick von dem 1904 angeschafften mechanischen Uhrwerk angezogen. Es wird durch zwei allwöchentlich aufzuziehende Eigengewichte betrieben und erinnert durch sein lautes, gleichmäßiges Ticken an die verrinnende Zeit. Auf der gegenüberliegenden Seite befinden sich zwei Gedenktafeln und ein Gedenkbuch mit den Namen der gefallenen Soldaten der letzten vier Kriege (1848/50 – 1870/71 – 1914-1918 – 1939-1945).

 

(Dieser Kirchenführer wurde von Ernst Muchow 2004 erstellt)